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Wir haben viele Tischgenossen, die uns gesund erhalten

Lange Zeit war die Bedeutung der Darmflora für die Gesundheit und den Gesamtorganismus des Menschen nicht bekannt und kaum erforscht. Inzwischen haben viele Mediziner und Wissenschaftler die mikrobielle Besiedlung des Darmes, die in ihrer Gesamtheit Mikrobiom genannt wird, als ausgesprochen wichtigen Faktor für unterschiedliche Erkrankungen erkannt.

Am Tag seiner Geburt wird der bis dahin fast keimfreie Darm des Neugeborenen bereits mit ersten Keimen aus der mütterlichen Umgebung besiedelt. Passiert das Neugeborene den Geburtskanal findet dort bereit ein erster Kontakt mit Keimen statt, die sich auf der mütterlichen Schleimhaut und der Haut befinden, Es handelt sich dabei um sogenannte Kommensale (lat. Tischgenosse), die in symbiotischer Einheit mit dem Menschen leben.  

Wird der Säugling gestillt, nimmt er mit der Muttermilch Lactobazillen auf. Diese bilden gemeinsam mit Bifidobacterien eine stetig wachsende Besiedlung im Darm des Neugeborenen.  Wenn das Kind umgestellt wird auf Kuhmilch, entwickelt sich eine Mischflora aus Bifidobakterien,  Bacteroides, Enterbactericeae und Streptokokken aus. 

Mit dem innigen Kontakt zur mütterlichen Haut weitet sich die mikrobiale Flora (früher als Darmflora bezeichnet) weiter aus mit einer sehr spezifischen Besiedlung aus seiner Umgebung. Wenn ab dem dritten Monat Breikost zugefüttert wird, wächst die Zahl der Keime und es treten die unterschiedlichen Keimarten auf und vermehren sich.

Schon in den sehr frühen Lebensjahren baut jeder einzelne Mensch sein ganz individuelles Keimspektrum im Darm  auf, welches in einer Grundkomposition lebenslang erhalten bleibt und wie ein Fingerprint mit keinem Mikrobiom eines anderen Kindes oder Erwachsenen identisch ist. 

Bei vielen Menschen ist durch die Ernährung mit zu viel Zucker, Weißmehlprodukten und fehlenden Ballaststoffen aus pflanzlichen Faserstoffen das Mikrobiom des Darmes unterernährt und am verhungern. Nimmt man ausreichende Mengen an Ballaststoffen mit der Nahrung auf, wird das Mikrobiom gefüttert und gestärkt. Der Stoffwechsel des Mikrobioms produziert freie Fettsäuren, von denen sich die Darmschleimhaut ernährt und die Widerstandskraft stärkt. So können Entzündungen und Fehlbesiedlungen durch krankmachende Keime an der Innenwand des Darms vermieden werden; ebenso wird die Durchlässigkeit der Darmwand verdichtet, damit keine schädlichen Substrate aus dem Abbau der Nahrung auf dem Blutweg in den Körper gelangen. 

Dies macht deutlich: Die pflanzlichen Faserstoffe sind eine wichtige Substanz für die Darmgesundheit und das Wohlergehen eines Menschen. Sie haben einen schützenden und gesundheitsfördernden Effekt auf die einzelnen Spezies und das gesamte Ökosystem des Darms. Damit haben pflanzliche Faserstoff einen therapeutisch und ernährungsphysiologisch enorm hohen  Stellenwert für die Gesamtgesundheit des Menschen.

Ballaststoffe/Faserstoffe sind Bestandteile der Pflanzen, die aus

Kohlenhydraten bestehen, die nicht verdaut werden können

Ballaststoffe sind die Gerüstsubstanz der Pflanzen und können vom menschlichen Verdauungssystem nicht aufgespalten werden. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten davon täglich etwa 30 Gramm mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie finden sich in Vollkornprodukten, in Salaten, Obst und im Gemüse. 

Lösliche Ballaststoffe werden von den Darmbakterien weitgehend aufgespalten und verwertet. Dabei entstehen kurzzeitige Fettsäuren, die wiederum der Ernährung und Funktion der Darmschleimhaut dienen und das spezifische Mikrobiom stärken. Unlösliche Ballaststoffe können nur teilweise abgebaut werden, sie binden aber das Wasser im Kolon (Dickdarm) und erhöhen damit das Stuhlgewicht und bessern die Verdauungsfunktion. 

Pflanzlichen Faser-Substanzen haben das Potential eines Präbiotikums, das die physiologische Darmflora ernährt und folgende Funktionen im Organismus unterstützt:

  • Die Biomasse im Darm wird erhöht
  • Es verbessert die Calciumaufnahme
  • Sie stärken die Darmschleimhaut und 
  • verhindern dort das Eindringen krankmachender Keime
  • Sie produzieren kurzzeitige Fettsäuren, die das Immunsystem stärken
  • und sind eine Energiequelle für gesunde Darmschleimhaut
  • Sie stimulieren das Wachstum der wichtigen Bifidobakterien und Laktobazillen

Hervorzuheben ist das Mikrobiom auch wegen seiner positiven Wirkung auf das Metabolische Syndrom, an dem die vier Erkrankungen Bluthochdruck, Übergewicht, hohe Blutfettwerte und erhöhte Glukosespiegel im Blut finden.  Der Stoffwechsel des Mikrobioms vermag die Vermehrung von Bauchfett zu bremsen, den hohen Blutdruck zu regulieren, den Fettstoffwechsel und auch den Blutzuckerspiegel positiv zu beeinflussen. Werden die probiotischen Eigenschaften von pflanzlichen Faserstoffe mit der Nahrung zugeführt, wirken diese positiv auch auf die Gewichtsregulation bei Übergewicht und Adipositas. Aus aktuellen Studien geht hervor, das ein enger Zusammenhang zwischen Körpergewicht, Ernährungsweise und den wichtigen Substraten des Mikrobioms besteht. 

Es steht außer Frage, dass dem Übergewicht und der Adipositas meist eine vermehrte  Nahrungsaufnahme vorangegangen ist. Man vermutet, dass diese eine Anpassung der Darmbakterien an den Nahrungsüberfluss bewirkt, die sich entsprechend vermehren, um den höheren Substratbedarf des Organismus zu decken. Als Folge davon ist ein stark verändertes  Mikrobiom bei adipösen Personen im Vergleich zu normalgewichtigen Menschen nachgewiesen. 

Bisher konnte noch nicht festgestellt werden, ob ein besonders ausgestattetes Mikrobiom dazu führt, dass einige Menschen schneller zunehmen und übergewichtig werden, während das spezifische Mikrobiom bei schlanken Personen dafür verantwortlich ist, dass sie soviel essen können wie sie möchten, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Man nennt sie auch die besseren Futterverwerter. Dieser Unterschied bei der bakterieller Besiedlung kann wissenschaftlich belegt werden. In Untersuchungen konnten Menschen mit zu hohem Gewicht deutlich an Gewicht verlieren, wenn ein Stuhltransfer vorgenommen wurde, die eine aufbereitete Lösung mit den Darmkeimen schlanker Personen enthielt. Unklar bleibt aber noch immer, ob das Essverhalten die Darmbesiedlung, oder die Darmbesiedlung das Essverhalten verändert.

Nach wie vor gilt die Regel, dass ein Überangebot an energiedichter, zu fetter und zu süßer Nahrung zu unerwünschten Veränderungen der mikrobiellen Besiedlung führt, und dies nimmt einen relevanten Einfluss auf die Entwicklung einer Adipositas, einer nicht-alkoholischen Fettleber, eines Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. 

Die Unterschiede in der Keimart und Keimzahl des Mikrobioms von normalgewichtigen und adipösen Menschen können angeglichen werden, wenn das Körpergewicht reduziert wird. Die Anzahl der Keime reguliert sich ebenso wie deren Zusammensetzung, wenn die Fettmassen im Bauchraum verringert werden. Gleichzeitig gehen die chronisch-systemische Entzündung und die metabolischen Komplikationen zurück. Erreicht werden kann die Reduktion der Fettansammlungen im Bauchraum (abdominelles Fett) durch vermehrte körperlicher Aktivität und eine konsequente Ernährungsumstellung auf mediterrane Kost mit hohem Anteil pflanzlicher Faserstoffe und dem Ersatz tierischer Fette durch gesundes Pflanzenöl. So lässt sich nicht nur das Körpergewicht normalisieren, sondern auch die potentiell bedrohlichen Nebenwirkungen des Übergewichts werden reduziert und die gesundheitsfördernden Funktionen gestärkt und wieder hergestellt werden.

Welche krankmachenden Eigenschaften das Fettgewebe im Bauchraum mit sich bringt, wurde an Sumo-Ringern untersucht. Man kenn sie als sehr übergewichtig und mit erheblichen Fettmassen. Solange sie aber körperlich aktiv sind, regelmäßig trainieren und Ringkämpfe austragen, sind diese Menschen metabolisch und seitens ihrer Herz-Kreislaufsituation sehr gesund. Beendet der Sumo-Ringer seine sportliche Karriere, häufen sich im Bauchraum große Fettmengen an, die eine chronisch-systemische Entzündung verursachen und dem metabolischen Syndrom sowie vielen Begleiterkrankungen desÜbergewichts den Weg bereiten.

Daraus lässt sich Folgendes ableiten: 

  1. Fettgewebe ist nicht allein ein Energiespeicher für überflüssige Kalorien aus Fett und Zucker

2)   Fettgewebe ist ein biologisch hochaktives Gewebe, es setzt Adipokine und Zytokine

      (Entzündungszellen) frei, die für die chronisch-systemische (subklinische) Entzündung verantwortlich sind.

3)  Fettgewebe reagiert ausgezeichnet auf die gesunde Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung

4) Fettgewebe expandiert bei positiver Energiebilanz (Energieaufnahme höher als Energieverbrauch)

5.)  Die Hormone des Fettgewebes Adipokin und Leptin wirken im Gehirn direkt auf das Belohnungszentrum, wo das Sättigungsgefühl angesprochen wird und zur Reduktion der Nahrungsaufnahme veranlasst. 

6) Bei einer Störung dieser Signale an das zentrale Nervensystem durch Adipokin und Leptin bleibt das Sättigungsgefühl aus!  Es kommt zur ungebremsten Nahrungsaufnahme, zur falschen  Energiebilanz und unweigerlich zu Übergewicht und Adipositas.

– Dr. med. Karin Wilbrand // Veröffentlicht in Allgemein