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Benefit einer Testosteron-Behandlung übergewichtiger oder adipöser Männer

Bei übergewichtigen oder adipösen Männern finden sich oft niedrige Serum-Testosteronspiegel, die mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes in Verbindung stehen. 

In einem großen Studienkollektiv von prädiabetischen Männern wurde geprüft, ob bei ihnen durch eine Behandlung mit Testosteron das Fortschreiten zum manifesten Diabetes über die Effekte eines Lifestyle-Programms hinaus verhindert oder die Umkehrung des Diabetes-Vorstadiums bewirkt werden kann. An T4DM, einer randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Zweijahresstudie der Phase 3b waren sechs australische Tertiärzentren beteiligt. Die teilnehmenden Männer im Alter von 50,7 Jahren hatten einen Taillenumfang von ≥95 cm und eine Serum-Testosteronkonzentration von ≤14,0 nmol/l sowie eine beeinträchtigte Glukosetoleranz (oraler Glukosetoleranztest [OGTT] 2h-Glukose 7,8-11,0 mmol/l) oder einen neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes (sofern die OGTT 2h-Glukose ≤15,0 mmol/l lag). Sie wurden in ein Lifestyle-Programm aufgenommen und erhielten randomisiert (1:1) intramuskuläre Injektionen von Testosteron-Undecanoat oder Placebo. Die jeweils für die Intention-to-Treat-Population vorgesehenen Primärendpunkte waren ein Typ-2-Diabetes (2h-OGTT-Glukose ≥11,1 mmol/l) und die mittlere Veränderung des Baseline-Werts der 2h-OGTT-Glukose nach zwei Jahren.

Studiendesign und -verlauf
Charakteristika der Analysekohorte und Adhärenz
Von 19.022 Männern, die ein Internet- oder Telefon-basiertes Prä-Screening absolviert hatten und anhand ihrer Labordaten als tauglich erschienen, wurden 1.007 (5%) in die Studie aufgenommen. Diese Teilnehmerkohorte wurde zwischen Februar 2013 und Februar 2017 auf eine Placebo-Gruppe (n=503) und eine Testosteron-Gruppe (n=504) randomisiert. Zwischen beiden Gruppen bestanden in den Baseline-Charakteristika keine signifikanten Unterschiede. Verfügbar waren die 2-Jahres-OGTT-Ergebnisse von 413 (82%) der 503 Teilnehmer in der Placebo-Gruppe und 443 (88%) der 504 Teilnehmer in der Testosteron-Gruppe. Von den insgesamt 856 Studienteilnehmern hatten zu Baseline 172 (20%) einen Typ-2-Diabetes. Nach einem Jahr hielten sich noch 847 (84%) der Teilnehmer an den Behandlungsplan. In der Placebo-Gruppe hatten 131 (26%) Teilnehmer und in der Testosteron-Gruppe 116 (23%) Männer die Behandlung früher als nach 2 Jahren abgebrochen. Die Gründe für frühzeitigen Abbruch waren persönlicher Natur (104 vs. 65) oder ein im Protokoll festgelegter Hämatokrit-Anstieg (1 vs. 25).

Ergebnisse
Primärendpunkte
Nach zwei Jahren wurde bei 87 (21%) der 413 Teilnehmer in der Placebo-Gruppe und bei 55 (12%) der 443 Teilnehmer in der Testosteron-Gruppe ein 2h-Glukose-Wert von 11,1 mmol/l oder darüber registriert (relatives Risiko 0,59; p=0,0007). Die mittlere Veränderung des OGTT-2h-Werts von Baseline betrug –0,95 mmol/l in der Placebo-Gruppe und –1,70 mmol/l in der Testosteron-Gruppe p<0,0001). In adjustierten Analysen blieben die Behandlungseffekte weitgehend unverändert. 

Sekundärendpunkte
Zwischen den Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede in der Compliance mit dem Lifestyle-Programm oder ausreichender körperlicher Betätigung. Bei einem größeren Anteil der Teilnehmer in der Testosteron-Gruppe hatte sich nach 2 Jahren der 2h-Glukose-Plasmaspiegel normalisiert. Der HbA1c-Wert blieb in beiden Gruppen vergleichbar. Andererseits war die Abnahme des Nüchternblutzuckers, des Hüftumfangs, der Gesamtfettmasse und der Bauchfettmasse sowie andererseits die Zunahme der Gesamtmuskelmasse, der Armmuskelmasse und der Handgriffstärke in der Testosterongruppe stärker ausgeprägt als in der Placebo-Gruppe. Im Vergleich mit den Männern der Placebo-Gruppe hatten die Männer der Testosteron-Gruppe signifikante Verbesserungen im International Index of Erectile Function Subskalen (erektile Funktion, Orgasmusfunktion, sexuelles Verlangen, Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr und sexuelle Gesamtzufriedenheit). Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich der Symptome des unteren Harntrakts.


Therapiesicherheit
Nach zwei Jahren bestanden zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Veränderungen des systolischen und diastolischen Blutdrucks oder der Alanintransferase. Ein Hämatokrit von 54% wurde bei 6 Teilnehmern der Placebo-Gruppe und bei 106 Teilnehmern der Testosteron-Gruppe überschritten, und eine PSA-Erhöhung ≥0,75 µg/ml wurde in 19% bzw. 23% der Fälle ermittelt.

Gravierende unerwünschte Ereignisse kamen bei 37 (7,4%) von 503 Patienten in der Placebo-Gruppe und 55 (10,9%) von 504 Patienten in der Testosteron-Gruppe vor. Darunter waren Arrhythmien (3 in der Placebo-Gruppe vs. 8 [2%] in der Testosteron-Gruppe), ischämische Herzkrankheit (13 vs. 7), zerebrovaskuläre Krankheit (3 vs. 4), benigne Prostatahyperplasie (3 vs. 8), Prostatakrebs (5 vs. 4), Depression (3 vs. 1) und venös-thrombotische Ereignisse (0 vs. 2). 

Kernaussagen  
❏ Unter der zweijährigen Testosteron-Behandlung verringerte sich die Zahl der Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes in stärkerem Maße als allein mit einem Lifestyle-Programm. 

❏ Die vorteilhaften Effekte auf den Glukosestoffwechsel waren von der Testosteron-Konzentration zu Baseline unabhängig. 

❏ Die Testosteron-Behandlung war im Gegensatz zur Placebo-Anwendung mit einer verstärkten Abnahme der Fettmasse, einer Zunahme der Skelettmuskelmasse und Muskelkraft wie auch einer verbesserten Sexualfunktion assoziiert.

❏ Die Behandlung mit Testosteron stand im Vergleich mit Placebo nicht vermehrt mit kardiovaskulären Ereignissen oder Prostatakrebs in Verbindung. 

Professor Michael Zitzmann/Andrologie Universitätsklinik Münster

Literatur:
Wittert G, Bracken K, Robledo KP, et al. 2021. Testosterone treatment to prevent or revert type 2 diabetes in men enrolled in a lifestyle programme (T4DM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, 2-year, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol 9:32–45. 

– Adipositas Stiftung // Veröffentlicht in AdipositasAllgemein