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GLP-1 – Grundlagen eines neuen Therapieprinzips bei Diabetes

In der Pathogenese des Typ-2-Diabetes sind die beiden Aspekte Insulinresistenz und gestörte Insulinsekretion von Bedeutung. Darüber hinaus ist der Diabetes mellitus Typ 2 in aller Regel eingebettet in das metabolische Syndrom und dadurch mit weiteren klinisch relevanten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und insbesondere mit der viszeralen Adipositas assoziiert.

Der Verlauf des Typ-2-Diabetes ist progressiv. Auf der pathophysiologischen Ebene zeigt sich dies besonders einer Abnahme der Insulinsekretion, weil die Leistungen der Betazellen kontinuierlich abnehmen. Bei Typ-2-Diabetikern liegt bereits früh im Krankheitsverlauf eine Beeinträchtigung der schnellen kurzzeitigen Insulinantwort der pankreatischen Beta-Zellen vor. Die postprandiale Hyperglykämie nichtdiabetischer Personen ist die Folge der gestörten frühen Phase der Insulinsekretion. Studien haben gezeigt, dass sie die Atherogenese und damit die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität fördert.

Die Hyperglykämie ist das herausragende Kennzeichen des Typ-2-Diabetes; sie tritt jedoch erst relativ spät im Krankheitsverlauf auf. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sind in aller Regel bereits 40 bis 50 Prozent der Betazellen zerstört. Darüber hinaus sind meist bereits irreparable Schäden an Herz und Gefäßen entstanden.

Einen neuen therapeutischen Ansatz in der Diabetesbehandlung bieten hier die Inkretinmimetika, Substanzen, die die physiologischen Effekte des Inkretinhormons GLP-1 (Glucagonlike Peptid 1) nachahmen.

GLP-1 gehört ebenso wie das Glukose-dependent insulinotropic peptide (GIP) zur Gruppe der Inkretinhormone. Das Peptid GLP-1 wird in den L-Zellen gebildet, die in der Mukosa des Dünn- und Dickdarms, vor allem im Ileum und im distalen Colon lokalisiert sind. GIP wird von den K-Zellen des oberen Dünndarms sezerniert. Induziert wird die Sekretion durch intraluminale Nährstoffe, insbesondere Glukose, daneben aber auch Fett und Aminosäuren.

Möglicherweise erfolgt eine Ausschüttung von GLP-1 auch über einen indirekten Reiz, das heißt über Hormone des oberen Dünndarms oder über das enterale Nervensystem.

Die Antwort auf die Sezernierung der Hormone in den Blutkreislauf ist ein Anstieg der Insulinsekretion. Etwa 60 Prozent der postprandialen Insulinantwort beruhen auf der Wirkung der beiden Peptidhormone. Allerdings ist bei einer niedrigen oder euglykämischen Glukose-Konzentration keine oder lediglich eine schwache Insulinsekretion zu beobachten, und unterhalb einer Glukosekonzentration von etwa 65mg/dl hat GLP-1 wohl keinen Einfluss auf die Insulinsekretion.

Ein weiterer Effekt ist die Hemmung der Glukagonfreisetzung, die ebenfalls in Abhängigkeit von der jeweiligen Plasmaglukosekonzentration entweder ganz entfällt (bei niedrigen Glukosespiegeln) oder sie kann bei hohen Glukosespiegeln bis zu 50 Prozent betragen.

Schließlich zeigen die Inkretinhormone noch einen weiteren wichtigen Effekt. Dieser betrifft die Regulation von Appetit und Sättigung sowie die Entleerung des Magens. Im Experiment konnte gezeigt werden, dass sowohl die intrazerebroventrikuläre, als auch die systemische Gabe von GLP-1 zu einer Zügelung des Appetits und zu einem verstärkten Völle- und Sättigungsgefühl führte und die Magenentleerung verzögerte, bis hin zum Stillstand bei extremer GLP-1 Konzentration.

Tierstudien deuten darauf hin, dass das Inkretinhormon GLP-1 fördernde Einflüsse auf die Replikation und Neubildung von Betazellen des Pankreas hat und deren Apoptose verhindern kann.

Die aufgeführten physiologischen Effekte von GLP-1 belegen die therapeutische Potenz dieses Hormons zur Behebung typischer Symptome bei Diabetikern. Seit langem ist bekannt, dass der Inkretineffekt bei Typ-2-Diabetikern vermindert ist. GIP bewirkt kaum noch Insulinfreisetzung und die Plasmakonzentrationen von GLP-1 sind niedriger. Die Insulinsekretion ist gestört und die Glukagonfreisetzung oft erhöht. Die Patienten haben einen gesteigerten Appetit und eine beschleunigte Magenentleerung. Bereits frühzeitig ist die Insel- bzw. Betazellmasse deutlich reduziert.

Die therapeutische Nutzung von natürlichem GLP-1 ist im Alltag nicht durchführbar. Der Grund liegt in einer extrem kurzen Halbwertszeit, da es innerhalb weniger Minuten durch die Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) zu unwirksamen Metaboliten abgebaut wird. DDP-4 ist eine ubiquitär vorkommende Exoprotease, die im Endothel verschiedener Organe und auf aktivierten T-Lymphozyten (CD26) gefunden wurde. DDP-4 bindet an viele (Poly-)peptide, hat aber die höchste Affinität zu GLP-1.

GLP-1 Analoga, die die Wirkung von natürlichem GLP-1 nachahmen und nicht so schnell durch die Dipeptidylpeptidase-4 abgebaut werden, sind daher eine neue Option zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern. Auf der Suche nach der geeigneten Substanz half der Zufall. Im Speichel des so genannten Gila-Monsters, einer amerikanischen Krustenechse, fand sich der als Exendin-4 benannte Stoff, der an menschliche GLP-1-Rezeptoren des Pankreas und anderer Organe bindet, und dabei eine identische Wirkung wie GLP-1 auslöst. Dieses 39 Aminosäure lange Peptid war jedoch resistent gegen DPP-4 und verlieh ihm damit die notwendige Stabilität. Die Weiterentwicklung dieses Polypeptids mündete in die therapeutisch wirksamen Medikamente Exenatide und Liraglutide.

Ein anderer Weg, um GLP-1 dennoch therapeutisch nutzen zu können und die Wirkdauer zu verlängern, ist die Hemmung der Aktivität des Enzyms DPP-4.

Solche DPP-4-Hemmer verzögern die Abbaugeschwindigkeit von endogenem, physiologischen GLP-1 und verlängern dadurch seine Wirkdauer. Auf diese Weise kommt es glukoseabhängig zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels analog zur Wirkung natürlichen GLP-1.

Parameter GIP GLP-1
Sekretionsort K-Zellen
(oberer Dünndarm)
L-Zellen 

(unterer Dünndarm, Dickdarm)

Sekretionsreize Glukose, Fett,
(Aminosäuren)
Glukose, Fett, 

(Aminosäuren)

Sekretionsmechanismus Direkt (an Absorption gekoppelt) Direkt und indirekt (nerval?)
Rezeptor GIP Rezeptor 

(Beta-Zellen, Fettzellen, Hirn)

GLP-1 Rezeptor 

(Beta-Zellen, Alpha Zelle ? Magen, Lunge, Hirn)

Wirkungen
  • Insulintrop
  • (Schwache) Stimulation der Glukagonsekretion
  • Magensäurehemmung(?)
  • Stimulation von Beta-Zellwachstum und -differenzierung
  • Antiapoptotisch (Beta-Zellen)?
  • Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes Wirkung sehr stark reduziert
  • Insulintrop
  • Supression der Glukagonsekretion Magensäurehemmung
  • Magenentleerungsverzögerung
  • Appetithemmung
  • Stimulation Beta-Zellwachstum und -differenzierung
  • Antiapoptotisch (Beta-Zellen)
  • Relativ gut erhaltene Wirkung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes
Eigenschaften der Inkretinhormone (entnommen. GLP-1 als Therapieprinzip bei
Typ-2-Diabetes, 2. Auflage UNI-Med Verlag)

Während der Vorteil des GLP-1-Analogons darin liegt, dass es zu einer deutlichen und, oftmals erwünschten, Gewichtsreduktion bei den Patienten kommt, liegt der Nachteil in der täglichen s. c. Injektion.

DDP-4-Hemmer hingegen werden ein- bis zweimal täglich oral appliziert, was die Patientencompliance sicher fördert. Gegenüber den GLP-1-Analoga findet sich allerdings keine Gewichtsabnahme unter der Therapie.

Von den Medikamenten mit DPP-4 hemmender Wirkung gibt es eine Vielzahl, die bereits zugelassen sind bzw. kurz vor der Zulassung stehen und die sich hinsichtlich ihrer chemischen Struktur deutlich unterscheiden. Allen ist gemeinsam, dass sie recht kleine Moleküle mit recht guter Bioverfügbarkeit sind.

– Richard Kessing // Veröffentlicht in DiabetesForschung