Ist Adipositas die normale Reaktion auf eine unnormale Umwelt

Dauerhafte Lebensänderungen gehört zu den schwersten Anforderungen, die man einem Menschen zumuten kann. Dazu bedarf es einer situationsadaptieren Verhaltenstherapie und unermüdliche Motivation, das sozialen Umfeld sollten erfasst sowie die Rolle und Funktion der Nahrungsaufnahme erfragt werden.
Für eine erfolgreiche Behandlung der Adipositas sollten Arzt und Patient identische Zielvereinbarungen treffen, die Basistherapie muss besprochen, die physische und psychische Gesundheit sollte erfasst und eine realisierbare Gewichtsreduktion thematisiert werden. Werden diese Voraussetzungen übergangen, muss mit der Reaktanz des Übergewichtigen/Adipösen gerechnet werden, sagte Professorin Martina de Zwaan aus Hannover, anlässlich eines Symposiums von Novo Nordisk während des 32. Kongress der Deutschen Adipositas Gesellschaft in Frankfurt.
Seitens des Facharztes für Psychiatrie sollte auch die Stimuluskontrolle (Nahrungsbevorratung) sowie die Verstärkungsstrategien des Adipösen im Auge behalten werden. In manchen Fällen ist zu erwägen, ob ein Affektregulationstraining für den Betroffenen hilfreich sein kann.
Noch immer werden Menschen mit Adipositas im Alltag ausgegrenzt und stigmatisiert, weil die Erkrankung nicht als medizinische Indikation wahrgenommen wird, sondern als Life-Style-Problem apostrophiert ist. Diese psychische Belastung nimmt den Betroffenen den Mut und führt nicht selten in eine Depression, so de Zwaan.
Um Menschen mit Adipositas erfolgreich zu therapieren, müssen vorhandene Stigmata aufgelöst werden, Schuldzuweisungen obsolet sein und durch effektive Therapie ersetzt werden.
Nationale und internationale Gesundheitsorganisationen (WHO) haben die Adipositas schon lange als chronische Erkrankung akzeptiert, die durch eine komplexe Interaktion von genetischen, psychischen und physiologischen sowie sozioökonomische Faktoren getriggert wird. Die negative Wahrnehmung der Adipösen führt zur Konfrontation in allen Lebensbereichen und ist selbst Ärzten oder Personalentscheidern nicht fremd. Für die Betroffenen resultiert ein geringer Selbstwert, eine eingeengte Lebensqualität bei der sich Unzufriedenheit und Essanfälle häufen, die letztendlich in einer Depression mündet. Das führt im Kollektiv der Übergewichtigen/Adipösen zur Selbstdiskriminierung und Selbstinvalidisierung, indem sie die Stigmatisierung auf unterschiedlicher Ebene bei sich selbst etablieren und ein benachteiligendes Verhalten für ihre eigene Person an den Tag legen.
„Heutzutage sollte die Adipositas als eine ganz normale Reaktion auf eine unnormale Umwelt deklariert sein, für die ein sozialer Konsens und umfangreiche Aufklärung in der Gesellschaft zu fordern sind“, mahnte de Zwaan.

– Adipositas Stiftung // Veröffentlicht in Adipositas